Nichts ist zu sehen auf der Bühne des Theaterraums außer des Vorhangs – aber zu hören dafür umso mehr. Die große Theater-AG beginnt ihr neues Stück „Alice im Wunderland“ mit einem Live-Hörspiel. Vor dem inneren Auge des Publikums erwacht die Welt von Alice zum Leben, einer ganz normalen Jugendlichen, die sich ihrem Alter entsprechend nicht recht für die bevorstehende Familienfeier motivieren kann. Ihrer Mutter und Schwester will sie auch nicht bei den Vorbereitungen helfen. Erst als Alice auf dem Dachboden der Inhalt eines Schranks auf den Kopf fällt und sie in eine aberwitzige Fantasiewelt abtaucht, öffnet sich der Vorhang, und die Schauspielerinnen und Schauspieler nehmen die Bühne ein.

Die Titelheldin Alice, bravourös gespielt von Janina Lingner, hat es in ihrer Fantasiewelt mit verrückten Wesen zu tun wie etwa einem weißen sprechenden Kaninchen (Katharina Miers), das manisch über die Bühne hoppelt, einer besonders tiefenentspannten Raupe (Tim Schuster), einer Grinsekatze (Georgios Arvanitidis), die immer wieder hinter dem neuen Vorhang des Theaterraums hervorlugt, dem Märzhasen (Madeline Gerock) oder dem verrückten Hutmacher (ausdrucksstark und stimmgewaltig: Lorena Wack).

Alice begegnet einer Gruppe von Fröschen (aus der kleinen Theater-AG: Amelie Löblich, Amelie Wagner, Clara von Hollen, Justus Strehl), gelangt zur Weißen Königin (Mahalet Weldeyes), die mit ihrer Hofdame (Laura Reul) und ihrer Köchin (Madeline Gerock) absurde Gespräche führt. Und dann taucht die Herzkönigin (beängstigend gut: Henrietta Hammerschmitt) zusammen mit ihrem Herzbuben auf (Frederik Klenke) und lässt keinen Zweifel aufkommen, dass sie mit Todesurteilen („Kopf ab!“) nicht sparsam umgeht.

Den Klassiker „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll auf die Bühne zu bringen, ist ein ambitioniertes Unterfangen, gilt es dabei doch, eine Fantasiewelt heraufzubeschwören, die auf den ersten Blick nach aufwendigsten Kulissen verlangt. Umso überraschender, wie die große Theater-AG unter Leitung von Frau Berg das Problem löst: Statt auf eine Materialschlacht setzt sie auf Minimalismus. Nur wenige Symbole hängen an den schwarzen Vorhängen, etwa ein Pilz oder eine Uhr; mit wenigen Requisiten kommt das Bühnenbild aus. Der Rest des Wunderlands entsteht durch kreativ gestaltete Kostüme und eine gekonnte Inszenierung, die von beeindruckend professionell agierenden Schauspielern getragen wird. Und immer wieder wird das klassische Theaterspiel durch kreative Einfälle gebrochen – Pop-Songs (zum Teil live gesungen, wie etwa „Bohemian Rhapsody“), ein selbst produziertes Video, Tanzeinlagen auf der Bühne und im Zuschauerraum. Langweilig wird es niemals, und die Pointen des Nonsens-Werks zünden am laufenden Band.

Besonders witzig: Die Teeparty-Szene, bei der sich Alice mit Hutmacher, Märzhase und Haselmaus (Laura Reul) in verwirrende Gespräche verwickelt. Anschließend soll Alice mit Tieren und Menschen, die wie Spielkarten aussehen (Amelie Wagner, Amelie Löblich und Elena Büttner aus der kleinen Theater-AG), Croquet spielen, wobei als Schläger Flamingos dienen. Auch der Auftritt des Weißen Ritters (Georgios Arvanitidis) sorgt für viele Lacher, fällt er doch pausenlos von seinem Schaukelpferd.

Im Schloss der Herzkönigin kommt es schließlich zu einer Gerichtsverhandlung, der neben der Königin auch der König vorsitzt (Justus Strehl), und bei der der Herzbube beschuldigt wird, die königlichen Törtchen gestohlen zu haben. Das heillose Chaos, das daraufhin entsteht, führt das Stück zu einem weiteren Höhepunkt.

Zum Gesang des Hutmachers, unter dem begeisterten Applaus des Publikums, verbeugen sich die Schauspielerinnen und Schauspieler – und danken ihrer Regisseurin Frau Berg. Auch das Technik-Team (Joachim Wendt, Joshua Lohmann, Tim Eichert, Maximus Nolte) erhält verdienten Applaus. Ein witziger, absurder Abend neigt sich dem Ende zu, mit eindrucksvollen Szenen, die den Zuschauern noch länger nicht aus dem Kopf gehen werden.

 

 

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